"REVUE"DE MAGAZIN FIR LËTZEBUERG

Robert Brandy
Retour aux racines

Un rapport de plusieurs pages dans le journal
REVUE edition No. 05, 01.02.2012
sur l'artiste-peintre R. Brandy.

'REVUE', No. 05, 01.02.2012


'REVUE', No. 05, 01.02.2012


Text: Gabrielle Seil gabrielle.seil@revue.lu         Fotos: Ute Metzger

Computern passiert es hin und wieder. Menschen auch. Abstürzen. Sogar bekannte Künstler bleiben nicht verschont. Als Robert Brandy vor fast genau einem Jahr abends in seinem Atelier sitzt, hat er plötzlich ein sehr ungutes Gefühl. Er schaut sich um und denkt: So kann es nicht weitergehen. Er hat den ganzen Tag gearbeitet, ist müde, "mä u Schlof war an deern Moment net ze denken". Um drei Uhr in der Nacht kocht er sich Tee, kommt aus dem Grübeln nicht heraus. Hat es mit dem Älterwerden zu tun? "Ech ka gutt 20 Joer no hanne kucken, mä ob ech nach 20 Joer no vir kucke kann, ass eng aner Fro", so der Künstler.
Am darauf folgenden Morgen zieht er die Laufschuhe an und geht in den Waldjoggen. Die frische Januarluft tut ihm gut. Sein Kopfwird frei. Nach zehn Kilometern steht fest: Nein, ich werde nicht mit der Malerei aufhören. Aber es muss sich etwas ändern. Zurück in der Werkstatt kann Robert Brandy keine Farben mehr sehen, rückt alles auffällig Bunte aus seinem Blickfeld: Kataloge, Gemälde, Skizzen. Lediglich Arbeiten aus den 1970er Jahren finden Gnade. Dorthin will er zurück. Zu mehr Helligkeit. Zum Licht. "Ech hu mat Faarwen alles ausprobeiert, wat meiglech ass", so der 65-Jährige. "An där Hisiicht sinn ech um Enn ukomm." Und dann fällt ihm ein unglaublich schöner Vergleich für seinen Absturz ein.
Man soll sich einen Baum vorstellen. Der Stamm bildet die Basis, die Äste stellen verschiedene Schaffensphasen dar. Er selbst sitzt an der äußersten Spitze eines Astes und muss eine wichtige Entscheidung treffen: entweder abspringen oder zurück zum Stamm gehen. "Ech hätt, eier­lech gesot, kee Problem domat, mat der Molerei opzehalen. Ech keint mir et gemittlech maachen." Doch Robert Brandy wäre nicht Robert Brandy, würde er sich auf seinen Lorbeeren ausruhen. Er braucht Bewegung, kann nicht einfach abschalten und still sitzen. So entscheidet er sich ­ zum Glück - für eine andere Lösung: weg mit den Farben.Die ersten "weißen" Bilder entstehen demnach Anfang 2011, und da der Galerist Bernard Ceysson sofort begeistert ist von der neuen Malweise, lehnt Robert Brandy im Nachhinein jede Einladung zu einer persönlichen Werkschau ab, nimmt lediglich an einzelnen Gruppenausstellungen teil und konzentriert sich voll und ganz auf die neuen Werke. "Ech war wei befreit." Wie neu geboren. Das Resultat dieser Neugeburt: eine Ausstellung mit rund 40 Arbeiten, die - im Vergleich zu den rot, blau und orange leuchtenden Gemälden aus den letzten Jahren - recht blass wirken.
Am Aufbau und an der Collagetechnik hat sich nichts geändert. Auch tauchen nach wie vor Schriftzeichen auf, und was die Liebe des Malers zum Detail betrifft so kann eine knapp fünf Zenti­meter 'REVUE', No. 05, 01.02.2012lange Linie ein Bild von 2x2 Metern zusammenhalten. "Ech kucken d'Saachen emmer am Detail", erklärt Robert Brandy und wischt über ein auf der Leinwand eines Gemäldes klebendes dunkles Haar. "Dat ass entweder vun engem Pinsel oder vu mengem Hond", lacht der stets gut Gelaunte. Was ihn, der in allen wichtigen Kunstmetropolen der Welt ausgestellt hat, als Mensch derart sympathisch macht, ist sein kindhaftes Wesen. Seine Natür­lich­keit. Über einen glücklichen Zufall kann er sich freuen wie ein kleiner Junge darüber, dass er einem bedeutenden Geheimnis auf die Spur gekommen ist. "Ech hunn och emol schlecht Deeg", räumt Brandy ein. Früher hat er an solchen Tagen am inten­sivsten gemalt. Heute sucht er eher Trost in seiner zweiten großen Leidenschaft: Autos, kleine und echte Austin Healeys. Von Trübsalblasen kann momentan jedoch absolut keine Rede sein.
Für die Vernissage der Ausstellung hatten sich auf Facebook rund 300 Freunde an­ge­meldet, die alle noch ein paar Freunde mitbringen wollten. Robert Brandy strahlt. Obwohl Menschen ihn als darzustellende Form nie besonders interessiert haben, sind sie ihm in der Realität sehr wichtig. "Ech si gespaant, wat si vun de Biller halen." Trotz der neuen Farbgebung tragen die Bilder zwar weiterhin die Handschrift des Künstlers und sind als solche auch erkennbar, wer aber sattes Braun liebt, wird den Stilwechsel als brutal empfinden. "All Moler kann an deem Genre weiderschaffen, an deem hien säi Liewe laang geschafft huet. Ech wollt dat awer net méi."
Eigentlich ist es gar nicht so verwunderlich, dass Robert Brandy sein derart beliebtes und perfektes Formen- und Farbenuniversum auf den Kopf gestellt hat. Herausforderungen haben ihn schon immer gereizt. Obwohl sein Temperament mit zunehmendem Alter gelassener geworden ist, und er beim Malen keine wilden Gesten mehr macht, - "mam Pätschen ass Schluss" -, bleibt er ein etwas rastloser und vor allem arbeitssüchtiger Künstler. Im positiven Sinne, versteht sich. "Ech kann och a mengem Atelier sinn an näischt maachen." Was heißt, dass er ein Buch liest, in Zeitschriften blättert, sich mit Sohn Kevin unterhält, der ebenfalls malt.
"Dat hei ass iwwregens dem Kevin seng Schold", scherzt Brandy und zeigt auf hellrote, kaum sichtbare Tupfer. Vater und Sohn teilen sich im Atelier ein Waschbecken, und es kann vorkommen, dass Kevin seine Pinsel nicht sauber auswäscht. Leiht sein Vater sich trotzdem einen aus, darf er sich im Nachhinein nicht wundern oder ärgern. Tut er auch nicht. Schließlich lässt er sich gern überraschen. Auch von sich selbst. "An der Malerei ass am Fong näischt Neits mei ze fannen, an awer dreemt een dervun, eppes Neits ze schafen." Daher ist das Malen ein permanentes Kämpfen, und an diesem Kampf hat sich für Brandy nichts geändert. Da er der Meinung ist, dass kein Bild auf Anhieb gut sein kann, zerstört er jedes Werk mindestens ein Mal.
"E Bild muss iwwrem Schaffe wuessen." Prompt drängt sich das Bild des Baumes wieder auf, dessen Äste unaufhörlich wachsen. So schlecht es Robert Brandy im vergangenen Jahr vielleicht ging, die kurze und schnell überwundene Krise hat nicht nur ihm, sondern auch seiner Malerei gut getan. Mit Farben will er nicht wieder arbeiten. So viel steht fest. Dieses Kapitel ist abgeschlossen. Ein neues hat begonnen. So spannend kann das Leben sein.

bis zum 3. März in der Galerie Bernard Ceysson auf dem hauptstädtischen
Fischmarkt, www.bernardceysson.com


'REVUE', No. 05, 01.02.2012