Robert Brandy und sein Faible
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Eigentlich, so möchte man meinen, ist Robert Brandy ein Glückspilz. Ist er doch zweifellos einer jener raren Zeitgenossen, die es geschafft haben, ihre Leidenschaften nahtlos mit ihrem Arbeitsalltag zu verbinden.
Seit 1972 bestreitet der heute 57Jährige sein Leben als inzwischen überaus erfolgreicher freischaffender Künstler, dessen Bilder weit über Luxemburgs enge Grenzen hinaus ihre Käufer finden.
Aber der Maler, dessen Werke sowohl im Amsterdamer Stedelijk Museum, of Twentieth Century Arts in Timotca (SA), in der New Yorker Carnegy Hall
sowie in Lissabon, in Lausanne, in Paris und in vielen anderen Städten ausgestellt sind, hat neben der Kunst noch eine zweite Passion: englische Sportwagen, an erster Stelle Austin Healeys.
Wer sein lichtdurchflutetes Atelier - eine renovierte alte Schlosserei in der Rue Auguste Neyen auf dem Geesseknäppchen - betritt, der sieht statt Bildern zuerst einmal Autos. Denn da stehen sie, blitzblank gewienert: ein weißes Austin Healey Cabrio 100/4 Baujahr 1953, ein rotes Big Healey Cabrio mit Hardtop von 1963 mit einer Drei-Liter-Maschine und 6 Zylindern, ein kleiner grüner Frogeye Healey Sprite MK1 (1959) und zwei Reliant Sabre 6 aus den sechziger Jahren, einer in Blau und einer in Silber. Letzterer thront auf einer funkelnagelneuen Hebebühne.
Und an den Wänden entdeckt der verwunderte Besucher Regale voller bunter Blechbehälter: Ölkanister und Schmierrnitteldosen aus längst vergangenen Zeiten, die der Künstler seit einigen Jahren mit Leidenschaft sammelt und als Exponate wie seltene Kunstwerke hegt und pflegt. Die im Design der fünfziger und sechziger Jahre gestalteten Finnennamen darauf lauten Castrol Girling Mobiloil, Shell Specialised Lubricants, Lockheed, Rotella Oil oder BP Visco Static. Auch die Wände sind voll mit alten Blechschildern und Werbeplakaten aus der Automobilgeschichte: Das Michelin-Männchen lässt grüßen, Antar - l'Huile de France oder Igol Sport. Und dann gibt es da noch mehrere Vitrinen mit Brandys gesammelten Modellautos, darunter natürlich vor allem seine geliebten Healeys in allen Farben und Maßstäben.
Brandys Atelier ist in genau zwei Hälften unterteilt. Der rechte Teil des Gebäudes gehört der Kunst: Hier geht der Maler zu Werke, hier stehen in großen Regalen die selbst gefertigten jungfräulich weißen Leinwände in Reih und Glied, an den Wänden hängen seine Lieblingsbilder, da stehen die Farbtöpfe, dort die angefangenen Werke auf Staffeleien, hier liegen die Tuben, die Bürsten, die Pinsel. Wenn der Künstler arbeitet, kann er jederzeit einen zärtlichen Blick auf die linke Seite werfen, auf seine geliebten Oldtimer.
Doch woher kommt diese große Liebe zu alten Autos?
Robert Brandy: "Schon als kleiner Junge war ich ein Autonarr. Ich konnte schon am Motorengeräusch erkennen, was da gerade angefahren kam, ein Citroën, ein Volkswagen, ein Mercedes, ein Jaguar, ein Peugeot, ein Opel. Denn damals hatten die Auto noch eine Seele und vo allem ein Gesicht. Sah man sie auf sich zukommen, so war der Kühlergrill der Mund, und die Scheinwerfer waren die Augen Manche Autos schauten grimmig drein, manche lächelten, und andere lachten sogar. Als Jugendlicher sah ich mir zusammen mit Freunden fast jeden Sonntag die Bergrennen überall im Lande an, und die Tour de Luxembourg automobile war alljährlich ein absolutes Must."
Von englischen Sportwagen hat er schon als Kind, geträumt. Wenn ein MG, ein Jaguar, ein Morgan, ein ein Triumph oder ein Healey auf der Straße an ihm vorbeifuhr, dann wollte der kleine Robert Brandenburger - Brandy ist sein Künstlemame - der übrigens mit vierzehn schon wusste, dass er einmal Maler werden würde, nur noch eins: irgendwann einmal so ein wunderschönes Objekt der Begierde besitzen!
Das erste Auto des gerade Achtzehnjährigen war dann aber bloß ein Ford Anglia.
Doch schon zwei Jahre später entdeckte er bei der alten Eisenbahnbrücke in Bonneweg einen weißen Austin Healey Sprite, einen Frogeye. Es war Liebe auf den ersten Blick. Brandy klemmte dem unbekannten Besitzer einen Zettel mit seiner Telefonnummer unter den Scheibenwischer. Falls der kleine Flitzer zu verkaufen sein sollte, bitte anrufen. Dringend!
Der ersehnte Anruf kam. Man schrieb das Jahr 1964, und für 20 000 Franken - das war damals viel Geld für einen jungen Mann! - erstand Brandy seinen ersten britischen Sportwagen. Er fuhr den Sprite vier Jahre lang als Alltagsauto, dann verkaufte er ihn wieder, weil er nicht genug Geld für eine sachkundige Restaurierung besaß. Ähnlich erging es ihm mit einem Austin Healey 100/4, den er im Alter von zweiundzwanzig Jahren in schlechtem Zustand erwarb und zu dessen Instandsetzung er nicht die Mittel hatte.
Ohnehin war jetzt nicht mehr an Sportwagen zu denken. Ende der sechziger Jahre kündigte Brandy seinen Job bei einer Fluggesellschaft und zog - auf den Spuren von Paul Cézanne - nach Aix-en-Provence, um Kunst zu studieren und seinen Traum wahr zu machen: sein Leben fortan als freischaffender Künstler zu verbringen.
Seiner Liebe zur Malerei bekam das sehr gut, seiner Autoleidenschaft weniger: Bis 1983 fuhr er einen alten VW-Bus, in dem er seine Bilder transportierte und in dem es sich bei Auslandsreisen auch gratis übernachten ließ.
Doch die beiden Healeys, die er aus Geldnot wieder hatte verkaufen müssen, waren dem Maler nie aus dem Kopf gegangen. Und er hatte sich geschworen, diese Oldtimer wieder in seinen Besitz zu bringen, sobald er nur die nötigen Mittel dafür aufbringen könnte.
Seit 1972 lebte er als freischaffender Künstler, und nach über zehn Jahren hatte er sich einen derart guten Namen gemacht, dass seine Bilder national und international immer besser quotiert wurden.
Am 9. August 1983 kaufte er sich einen 1959er Healey Sprite in british racing green, den er in zweijähriger Benediktinerarbeit zusammen mit einem befreundeten Mechaniker von Grund auf restaurierte und in einen Topzustand versetzte.
Brandy war derart vernarrt in seinen neuen kleinen Frogeye, dass er bei nationalen Oldtimerwettbewerben zahlreiche erste Preise für die beste Restaurierung einheimste. Doch damit nicht genug: Die Besucher seiner Ausstellung im Jahre 1985 in der Escher Galerie Municipale staunten nicht schlecht, als sie feststellten, dass der Maler seine Liebe zu englischen Sportwagen mit viel Talent in seine neuesten Werke hatte einfließen lassen. Im Zentrum der Ausstellung fanden sich großformatige Bilder, deren Motive - Austin Healey frogeye my love, Austin Healey Sprite, Morgan 3 wheeler - sowohl die Herzen der Kunstliebhaber als auch jene der Oldtimerfans höher schlagen ließen.
Der autovernarrte Maler arbeitete in der Folgezeit sporadisch weiter in dieser Richtung- 1993 hatte er sogar seinen Frogeye und sein rotes 57er MGA Coupé - sozusagen als Skulpturen - zusammen mit seinen Bildern in der Brüsseler Galerie Debras-Bical ausgestellt, eine originelle Performance, die beim Publikum sehr gut ankam. Und im Jahr 2000 gab es eine Ausstellung, in der ausschließlich automobile Motive zu sehen waren: Vom 26. Januar bis zum 31. März hatte die Galerie der Banque Internationale Dexia BIL unter dem Leitmotiv Brandy - Autoportrait dem Künstler die Gelegenheit geboten, seine Passion für die englischen Roadster auf der Leinwand voll auszuleben. Die Initiative kannte einen riesigen Erfolg, und eine Mappe mit sieben Serigraphien war im Nu ausverkauft.
Brandys langjähriger Freund aus seiner Zeit in Aix-en-Provence, der Luxemburger Schriftsteller Jean Sorrente, schrieb in der Einleitung zum Katalog: «'Sculpture mobile', selon l'heureuse formule du peintre, une automobile, cela se contemple, se caresse, s'écoute, se conduit, se sent, se mesure dans l'espace et dans le temps. Apollinienne par la perfection de ses formes, elle est dionysiaque par ce qu'elle promet de plaisir, voire de jouissance, le vertige et l'ivresse d'une accélération. Transposée en un fait de peinture, voilà qu'elle s'offre à la méditation autant qu'à la délectation, ajoute à sa métamorphose la touche esthétique qui en fait une pensée sur la peinture et une pensée peinte.»
Diese Serigraphie schuf Brandy eigens zur
Veröffentlichung des vorliegenden Titels
Ab 1983 hat Robert Brandy seine Liebe zu alten britischen Roadstern konsequent ausgelebt. Der grüne Frogeye bekam bald Gesellschaft: 1989 erwarb der Maler ein MGA-Coupé, das er aber wenig später an seinen Freund, den MG-Sammler Curt Wagner, weiterverkaufte, mit dem zusammen er bereits so manche Oldtimer-Rallye bestritten hatte. Im selben Jahr konnte er sich dann auch endlich den Traum eines - diesmal absolut alltagstauglichen - 53er Austin Healey 100/4 - erfüllen, ein Wagen übrigens, der seinerzeit in Luxemburg erstzugelassen wurde. 1995 kam ein Big Healey 3000 hinzu, den er zusammen mit seinem Freund Jang Kesseler in Rallye-Form brachte.
Da die Healey-Flotte jetzt sozusagen komplett war, verlegte sich des Malers Sammelleidenschaft nunmehr auf die kleine, feine britische Firma Reliant. Bereits 1986 hatte er einen von diesem Unternehmen gebauten 69er Scimitar erstanden, und 1995 erwarb er einen blauen Sabre Six, dem sich im Jahre 2001 ein silbergrauer Artgenosse hinzugesellte.
Brandy hegt und pflegt seine automobilen Lieblinge nicht nur zärtlich, sondern er fährt sie auch, täglich und immer der Reihe nach.
Am liebsten sind ihm jedoch immer noch der kleine Frogeye -"Sieh mal, wie freundlich er dich anlächelt" - und der Healey 100/4 in old english white, der von all seinen Schätzen wohl die ästhetischste Linienführung sein Eigen nennt.
Die Liebe zu Oldtimern scheint sich indes wohl genetisch zu vererben. Brandys Tochter Maureen hat inzwischen auch Interesse angemeldet: auf den blauen Reliant Sabre Six. So dass der wohl in Bälde den Besitzer wechseln wird. Aber gottlob bleibt er ja in der Familie.